Empedotimos: «Ο ΥΠΕΡ-ΑΙΣΘΗΤΟΣ ΚΟΣΜΟΣ ΜΕ ΜΙΑ ΜΑΤΙΑ», in: empedotimos.blogspot (Februar 2008), zuletzt abgerufen am 18.04.2020. Zum besseren Verständnis des Artikels wurden Auszüge aus dem folgenden Artikel mitaufgenommen: «ΕΝΑΔΕΣ (ΘΕΟΙ) – Δυνάμεις», in: ebenda (April 2008). Aus dem Griechischen ins Deutsche von Stilian Korovilas.
Um ein allgemeines Bild der übersinnlichen Welt zu vermitteln und die gesamte Struktur verständlicher zu machen, werden die Hauptpunkte, die die übersinnliche Welt bestimmen, in Umrissen dargelegt. Dem wird eine detaillierte Darstellung eines jeden Punktes folgen.
Die Manifestation [εκδήλωση*] beginnt bei einem vollkommenen Zustand (EN, das Eine) und endet in einem Endzustand (HYLE, Materie).
Es gibt einen allerersten und einen letzten Zustand. Es gibt keine unendliche Manifestation in Richtung eines höheren oder niedrigeren Zustands.
Die Manifestationsebenen in absteigender Reihenfolge sind: EN-HENADEN-NOUS-PSYCHE-NATUREN-KÖRPER.
Das EN ist eigentlich Vieles, ist die Henaden, welche die ursprünglichen Götter sind.
Es gibt zwei parallele Verläufe, den überseienden** (Henaden) und den ontischen.
Die Manifestation auf der überseienden Ebene bedeutet, dass die Henaden auf niedrigeren Ebenen aktiv sind, es werden keine neuen Henaden geschaffen.
Die Manifestation auf der ontischen Ebene findet auf Ebenen statt, die TAXEIS [Hierarchien, Ordnungen] genannt werden, die Manifestation von den oberen zu den unteren Hierarchien wird PROODOS [Hervorgang] genannt und bildet die SEIRAI [Reihen, Seins-Ketten], während sie innerhalb einer Hierarchie HYPOBASIS [Abstufung] genannt wird.
Zum Beispiel ergibt der allgemeine Nous mit der PROODOS die Hypostase der Seele und mit HYPOBASIS die Noes [«Geister»].
Der Übergang von einem niedrigeren zu einem höheren Seinszustand wird als EPISTROPHE [Rückkehr] bezeichnet, in der das ON [Seiende] all das wiedererlangt, das es während der PROODOS verloren hat. MONE [Verweilen, Verharren] heißt der Zustand, bei dem sich das ON bei seiner Ursache befindet.
Jede ontische Hierarchie besitzt eine eigene Monade, welche allen Mitgliedern der Hierarchie ihre gemeinsame Eigenschaft verleiht.
Alle Götter sind einander gleichgestellt, aber als Hervorgebrachtes von Ergebnissen sind sie Teil einer Hierarchie.
Die Götter sind die Allerältesten, ewig, simpel, unveränderlich, autark, überseiend.
Es gibt keine Genese der Götter, die Götter sind ewig. Jeder Gott existiert bereits vor der Beziehung zu seinen Eltern. Wir sagen, ein Gott wird geboren, wenn die Beziehung zu seinen Eltern entsteht.
Die Beziehungen eines jeden Gottes zu den anderen Göttern sind seine eigenen Mächte.
Wie bereits gesagt, die Götter werden nicht geboren. Was geboren wird (sich zeigt), sind die Beziehungen zwischen ihnen.
Die Beziehungen der Götter untereinander sind die Mächte eines jeden Gottes. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir sagen, dass die Götter geboren werden, denn damit meinen wir im Grunde, dass sich ab einem bestimmten Punkt ihre Mächte entfalten, daher auch ihre Beziehungen, und das bedeutet wiederum, dass sie aktiv werden und das Seiende bilden. Die Götter existieren vor der Beziehungsaufnahme zu den anderen Göttern, heißt vor ihren Eltern. Der Satz «ab einem bestimmten Punkt» hat weder eine zeitliche noch eine räumliche Bedeutung, sondern eine Bedeutung, die sich auf eine Wirkung bezieht. Die Götter existieren/entfalten sich auf vielen Wirkungsebenen.
Mit dem Begriff Gott bezeichnen wir neben den ursprünglichen Göttern auch noch die Noes, die göttlichen Seelen und die Daimonen.
Mit dem Namen eines Gottes wird eine ganze SEIRA (Henade-Nous-göttliche Seele-Daimon) bezeichnet, deshalb müssen wir, wenn wir einen Namen anrufen (z.B. Apollon), wissen, an wen wir uns wenden.
Wir nehmen die Götter aufgrund ihrer Aktivitäten wahr und deshalb behandeln wir sie als Wesen. Ihre grundlegende und ursprüngliche Aktivität ist ihre Beteiligung an der Schaffung der THEIA OUSIA [göttliche Substanz, Seiendheit].
Die Kategorien der Götter sind die folgenden: die noetischen, die noetischen und noerischen, die hyperkosmischen, die hyperkosmischen und enkosmischen, die enkosmischen.
Es gilt das Prinzip des polyzentrischen Polytheismus, wonach jeder Gott in ein Zentrum eingeordnet werden kann, zusammen mit den Göttern, die im Mythos mit ihm in Verbindung stehen, und alle anderen werden in seine Peripherie eingegliedert.
Das Konzept des Henotheismus im Polytheismus impliziert, dass irgendein Gott die Rolle des Koordinators übernimmt und alle Götter «seinem Befehl» unterstellt, wodurch er die Rolle eines Dirigenten spielt. Dieser Gott wird Demiurg*** [Schöpfer] genannt.
Jeder Gott ist ein potenzieller Demiurg.
Jeder Gott wird von der Triade PERAS-APEIRON-MIKTO [Begrenztes-Unbegrenztes-Mischung] bestimmt. Das Peras bildet die EXISTENZ des Gottes, das Apeiron seine MACHT und das Mikto die Aktion des Gottes.
Die verschiedenen Gegensatz-Paare, die Erwähnung finden (Gleichheit-Verschiedenheit, Ähnliches-Unähnliches, Gleiches-Ungleiches usw.), sind in gewisser Weise «Codewörter», welche die unterschiedlichen Ebenen der Götter charakterisieren.
Die Anzahl der Götter ist uns nicht bekannt, aber sie ist endlich. Ihre Macht ist unendlich (apeire).
Es gibt so viele Henaden (Götter), wie es ontische Funktionen gibt. Eine größere Anzahl von Göttern bedeutet, dass unser philosophisches System nicht alle Wesen erfasst hat (es gibt keine inaktiven Götter), während eine kleinere Anzahl von Göttern einen künstlichen Mangel an Göttern bedeutet (monotheistische Religionen) oder dass unser philosophisches System nutzlose ontische Funktionen enthält.
Die Erschaffung des Seienden wird in der dritten Triade der Noetischen abgeschlossen.
Auf der noetischen Taxis [Ordnungsstufe] existieren die Götter als Einzelwesen, auf der noetisch-noerischen Taxis bilden sich die Beziehungen zwischen ihnen und auf der noerischen Taxis treten die Beziehungen zwischen den Göttern in Kraft. Die Beziehungen der Götter untereinander werden mythologisch bestimmt.
Die noetisch und noetisch-noerische Taxis hat eine dreifaltige Struktur, während die noerische Taxis eine siebenfaltige Struktur besitzt. Die restlichen Ordnungsstufen haben eine zwölffaltige Struktur.
Die Namen der Götter, die sich auf die Existenz (Peras) des jeweiligen Gottes beziehen, sind unsagbar und nur den Göttern bekannt. Die Namen, die sich auf die Macht (Apeiron) des jeweiligen Gottes beziehen, sind unsagbar, aber den Theurgen bekannt. Die Namen, die sich auf den Nous (Mikto) der Götter beziehen, sind bekannt.
* Das griechische Wort «εκδήλωση» kann ebenso mit Äußerung, Ausdruck, Erscheinung übersetzt werden, A.d.Ü.
** Das Adjektiv «hyperousios», hier mit «überseiend» angegeben, wird im Deutschen auch mit «überwesentlich» übersetzt, A.d.Ü.
*** «Demiourgos» bedeutet «der für das Wohl der Gemeinschaft Schaffende» oder «der für die Gemeinschaft schafft», A.d.Ü.
Zur Person: Vyron Zattas, bekannt als Empedotimos, ist ein hellenischer Autor und Blogger, der an der Fakultät für Physik und Mathematik der Universität Athen studierte und aufgrund seiner Artikel über die platonische Philosophie und die archäologischen Ausgrabungen in Amphipolis einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte. Empedotimos gehört zur Schule der orphisch-pythagoreisch-platonischen Philosophie (OPPP). Durch seinen Blog hat er die OPPP in Griechenland bekannt und einer breiteren Masse zugänglich gemacht.