Vlassis G. Rassias im Interview mit der griech. Zeitschrift «Mystery», Ausgabe Nr. 88, Januar 2013, in: Rassias (Artikel, Interviews, Veranstaltungen), zuletzt abgerufen am 06. September «2014». Aus dem Griechischen von Stilian Ariston Korovilas.
Mystery: Wer die nordische Mythologie liest, kann nicht umhin, als gemeinsame Züge zwischen der nordischen und griechischen Mythologie zu bemerken. Es handelt sich um eine Welt voller Helden, seltsamer Kreaturen und Götter, die kämpfen, lieben und ihre Gestalt wechseln können. Glauben Sie, dass das griechische Denken auch die nordischen Völker erreichte und beeinflusste oder hat jedes Volk seine Mythologie eigenständig entwickelt?
Rassias: Auch wenn es zunächst seltsam klingen mag, können beide Seiten der disjunktiven Frage im Endeffekt mit «Ja» beantwortet werden. Die europäischen Ethnien haben, wie alle Ethnien, auch ihre ganz eigenen Weltanschauungen entwickelt. (Ich verwende absichtlich nicht den Begriff «Mythologie», aus Gründen, die ich später erklären werde.) Tatsächlich kamen sie fast alle in der ein oder anderen Weise mit der römischen Welt in Berührung und infolge der Ausdehnung derselben in der Antoninen-Ära, d.h. ab dem 2. Jh., kamen sie auch direkt mit der hellenischen Weltanschauung in Berührung, nicht zu vergessen die zeitlich früher anzusetzende Verbreitung dieser spezifischen Weltanschauung durch die bekannten griechischen Einwanderungswellen auf manchen europäischen Gebieten. Damit meine ich nicht nur Marseille oder Elche, sondern gehe weit darüber hinaus. Selbst wenn Pytheas seine Reiseroute nicht wirklich oder auch nur zur Hälfte abgestreckt haben sollte, belegen archäologische Ausgrabungen eine «mykenische» Präsenz auch im uns allbekannten Stonehenge.
Jede einzelne Weltanschauung bringt ihr eigenes Wertesystem und eine eigene narrative Codierung ihrer Werte und Erkenntnisse hervor, die über den Weg der Erzählung praktisches und erhaltenes Wissen philosophischer, ontologischer, kosmologischer und theologischer Art weiter vermittelt. Eben genau diese narrative Chiffre ist «Mythologie». Trotz der Semantik, zu der dieser Begriff in «unseren» quasi-primitiven Tagen der Era Vulgaris beziehungsweise in den Händen uninformierter oder tatsächlich dummer Menschen verkommen ist, stellt die «Mythologie» kein Fantasiegebilde beziehungsweise Märchen dar, im Gegenteil: sie stellt eine philosophische, ontologische, kosmologische und theologische Wahrheit dar, die durch die mythischen Darstellung zugänglich und vermittelbar gemacht wurde. Die europäischen Ethnien, Schöpfungen der europäischen Landschaft (denn, wie ich zu sagen pflege, besitzt das Land in Wirklichkeit die Menschen, und nicht umgekehrt) haben über ein europäisches Wertesystem hinaus, das seinen Fokus hauptsächlich auf die Würde und Freiheit setzte, auch eine europäische Mythologie entwickelt, die trotz ihrer Abwandlungen je nach Volk und Gegend über ein ähnlich stabiles Fundament verfügt.
Selbstverständlich hat die gesamte Menschheit, mit Ausnahme der Perversion des sogenannten Monotheismus, ähnliche Weltanschauungen, Wertesysteme und Mythen entwickelt. Wir könnten in diesem Zusammenhang auch von einem «bereits vorhandenen universellen Archetyp» sprechen, obgleich eine recht einfachere und treffendere Erklärung lauten würde, dass, wo immer auch der natürliche Mensch, dieses wunderbare, vernunftbegabte Wesen, das von den Monotheisten so massiv abgewertet und verleumdet wurde, sich Gedanken über seine Natur und den Kosmos machte, über kurz oder lang, mit der einen oder anderen Sprache, dem einen oder anderen Symbol, mit der einen oder anderen Theogonie und Kosmogonie zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt ist. Nirgendwo eine Entstehung, geschweige denn eine Erschaffung der Welt aus dem Nichts, nirgendwo eine linear verlaufende Zeit oder die bereits davor existierende und noch dazu außerkosmische Gottheit, die von den Vorvätern aller «offenbarten» (sprich: gegründeten) Religionen zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, an einem ganz bestimmten Ort willkürlich erdacht worden ist. Wie wir auch auf soziopolitischer Ebene nirgends das Konzept des Autoritarismus oder Totalitarismus ausmachen können, noch nicht einmal als Idee. Der moderne französische Intellektuelle Michel Onfray hat vor ein paar Jahren großen Scharfsinn bewiesen, als er feststellte, dass der Totalitarismus, historisch gesehen, erst dann in Europa aufgetreten ist, als Konstantin der sogenannte «Große» seinen christlichen Staat über Europa verhängte.
Mystery: Welche sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen der olympischen Mythologie (der Hellenen) und der Mythologie Asgards (der «Nordeuropäer»)?
Rassias: Es gibt zahlreiche Ähnlichkeiten, folglich nur minimale Unterschiede, ferner sind diese durch die Mentalität und das natürliche und soziale Bezugsumfeld beider «Seiten» bedingt, und ich verwende den Begriff der «beiden Seiten», weil sich die sogenannten «Nordeuropäer» aus mehr als nur einem Volk zusammensetzen: Sachsen, Teutonen, Skandinavier usw. Der Hauptunterschied ist, dass in den griechisch-römischen Mythen das politische Element dominiert, zumal das Klima in ihren Herkunftsländern Versammlungen begünstigt, während in der «nordischen» Mythologie das kriegerische Element überwiegt. Die griechisch-römische Welt richtete ihr Denken auf die Idee der Ordnung aus und erhob die Gerechtigkeit zur größten Tugend, die «nordische» Welt richtete ihr Denken auf die Idee der Effizienz aus und erwählte ihrerseits die Tapferkeit zur höchsten Tugend, obwohl das heroische Element auf beiden «Seiten» vorherrschend war, wie auch bei allen anderen Völkern Europas. In der griechisch-römischen Welt garantiert ein stattlicher, glorreicher und inthronisierter olympischer Zeus mit dem Sonnenadler als seinen Gehilfen die ewige Kohärenz, Ordnung und Harmonie des Universums. In der «nordischen» schart ein einäugiger Odin/Wotan mit seinen zwei Wölfen und zwei Raben, seinen Helfern, die besten unter den Seelen der Toten in Walhall zusammen, damit sein Geschlecht für den bevorstehenden Kampf gegen die destruktiven Mächte gerüstet ist. Der «nordische» Mythenerzähler setzt absichtlich auf einen «hässlichen» Gott, damit klar wird, dass alles seinen Preis hat: Odin/Wotan hängt sich am Lebensbaum auf und opfert sein rechtes Auge, um Wissen zu erlangen, wobei dies beispielsweise bei den Hellenen eine selbstverständliche Eigenschaft der Götter ist.
Bei den «Nordeuropäern» gibt es außerdem noch den bevorstehenden «Ragnarök», d.h. den Kampf über das Ende der heutigen Welt, zumindest laut der «Prophezeiung der Völva» («Völuspá»), die erst nach der Christianisierung in Versform aufgeschrieben wurde. In ihrer Kenntnislosigkeit und «linearen» Fixierung legen viele monotheistische Forscher den «Ragnarök» als theologische Niederlage der «Heiden» aus, weil durch diesen mythologischen Bericht letztere angeblich klar zugeben würden, dass «ihre Götter den Tod erleiden»… Was für ein Unfug. Das ist so, als ob jemand behaupten würde, dass die griechischen Götter ebenfalls «sterben», weil ja Dionysos Zagreus «in Stücke gerissen» wird oder die Dioskuren sich «gegenseitig abwechseln». All diese vom monotheistischen Unsinn verblendeten Menschen verstehen einfach nicht das Konzept der zyklischen Zeit, genauso wenig wie andere ihrer Art, die aus einer Platte der Mayas, der vieldiskutierten «Steinplatte von Tortuguero», das vermeintliche «Ende» des Universums zur Zeit der Wintersonnenwende «2012» der christlichen Zeitrechnung herauslasen. Sie haben etwas «gelesen», das allein in ihren Köpfen existiert, zumal die Mayas die Zeit natürlich nicht wie die Christen, sondern zyklisch verlaufend wahrnahmen und sie ferner auch kein «Weltuntergang» beschäftigte; die Steinplatte gibt bloß die Geschichte ihres Oberhaupts Bachlam Atzaou wieder. Das ist krank! Um aber wieder auf den «Ragnarök» zurückzukommen: wir müssen betonen, dass in der nächsten, noch dazu idyllischen, neuen Welt, die aus der vorherigen hervorgehen soll, die «überlebenden» Götter wie gewohnt herrschen werden: Vidar, Vali, Forseti, Hunir, Magni, Monti, Url, ebenso die «von den Toten auferstandenen» Hod und Balder wie auch alle Göttinnen des ehemaligen Asgards.
Mystery: Über die Unterschiede zwischen den beiden «Seiten», wie sie von Ihnen genannt wurden, sagten Sie, dass sie die jeweils eigene Mentalität widerspiegeln. Was zeichnet also die griechische Seele aus? Und was die «nordische»? Und wie zeigt sich das in ihren Mythologien?
Rassias: Über den Beschaffenheitsrahmen der europäischen Seele (im weitesten Sinn des Wortes) hinaus, für die die Freigiebigkeit, Würde, Offenheit und ein starkes Ehrgefühl charakteristisch ist, ist die hellenische Seele zusätzlich durch Offenheit, Neugier, Freimut, politische Einstellung (die Hellenen erfanden «den politischen Menschen») und seelenruhige Akzeptanz der menschlichen Sterblichkeit gekennzeichnet. Aus diesem Grund brachte sie die Philosophie, die Wissenschaften, die erstaunlichen politischen Institutionen der Griechen und die Tragödie hervor. Auf der anderen Seite sind die «Nordeuropäer» durch eine hohe Organisationsfähigkeit ausgezeichnet, die sie diszipliniert und effektiv sein lässt. Die griechische Mythologie erzählt von den Reisen der Sterblichen zur Tugend, kosmogonischen Allegorien oder den Taten der Götter unter den strengen Anforderungen des Gesetzes oder der Notwendigkeit (Ananke). Auf der anderen Seite erzählt die «nordische» Mythologie von den Kämpfen, dem Heldentum, den Konflikten der Sterblichen und Götter, begleitet vom allgegenwärtigen Duft der schönen Vallküren: Kampf, Liebe, Weisheit, Tod.
Mystery: Erkennen Sie in den heutigen gesellschaftspolitischen Bewegungen der Deutschen ähnliche Elemente wie jene, die die Mythologie ihrer Vorfahren prägten? Können Sie auch Elemente der hellenischen Mythologie in der modernen griechischen Seele ausfindig machen?
Rassias: Wie bereits gesagt, «Nordeuropäer» sind nicht nur die Deutschen, deshalb würde ich sagen, dass die heutigen Skandinavier den Menschen von damals, der «nordischen» Tradition näher stünden, trotz des erheblichen Schadens, den vor acht, neun Jahrhunderten zuerst die Durchsetzung des römisch-katholischen und anschließend des protestantischen Christentums ihrer Innenwelt und Werthierarchie zufügte. Die angeborene Disziplin und Effizienz ihrer Vorfahren haben bei der Bildung der bewundernswerten modernen «Sozialstaaten» des sogenannten «skandinavischen Modells» ihren Beitrag geleistet. Auf der anderen Seite haben die Deutschen und Angelsachsen, die ja wesentlich früher christianisiert wurden und anschließend selber die sie umgebenden Völker in kreuzritterlicher Manier christianisierten, den Totalitarismus und jede Art von Antidemokratie bis in die Poren verinnerlicht, gleichzeitig scheint ihnen die historische Tatsache, dass sie in der griechisch-römischen Zivilisation die Primitiven außerhalb der Grenzen gewesen sind, innerlich ein ernstes Problem zu bereiten. Da sie als religiöse Bigotte oder zumindest als engstirnige Moralisten der säkularisierten Variante bereits unter dem Einfluss einer grobschlächtigen Psychologie funktionieren, ist ihr letztlich einziger Beitrag zur europäischen Kultur der verzweifelte Versuch, mithilfe von äußeren monarchischen Zierden, Kolonialismus, «Reich» und dergleichen mehr sich selbst aufzuwerten. Hätte es die Franzosen, zuerst mit der Aufklärung und später mit den Guillotinen nicht gegeben, wäre es auch heute noch, trotz des technologischen Fortschritts, vollkommen normal, «ketzerische», profane Schriften, Kunstwerke, aber auch lebende Menschen abzufackeln. Der deutsche und englische Christ erzeugt einzig und allein von Neid motiviert, wie Nietzsche mutig anprangerte, ständig bloß starre Formen der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Macht.
Diese Verelendung der Ethnien, die die natürliche Weltanschauung und das Wertesystem ihrer Ahnen verleugnen, gilt natürlich auch für die modernen griechischen Staatsbürger oder richtiger orthodoxen Rum beziehungsweise Rhomäer. Ein Volk, das vom Leuchtfeuer der Menschheit heute zu einer Masse gottesfürchtiger, jammernder, fügsamer Untertanen, gleichzeitig auch egomaner, geldgieriger Betrüger verkommen ist, bildet den perfekten menschlichen Brei, an dem die komplexbehafteten «zvilisierten» Nordeuropäer ihren Groll abreagieren können. Von den alten Eigenschaften ist bis vor kurzem zumindest die Würde erhalten geblieben, die der Vater dem Kind mit auf den Weg gegeben hatte und die auf den Namen «Filotimo» hört, ein ausschließlich griechischer Begriff. Aber auch das ist inzwischen verloren gegangen. In den bereits eintretenden Mangelzeiten ist der Rhomäer bereit, wie in jüngster Vergangenheit seine Gleichgesinnten in der slawischen Welt, sich sprichwörtlich oder im übertragenen Sinne öffentlich preiszugeben.
Mystery: In letzter Zeit beobachten wir den Aufstieg einer bestimmten Partei, welche zwar eine hellenische Fassade, aber auch klare deutsche Einflüsse und eine (pseudo?)pagane Vergangenheit aufweist, und ein modernes, kirchenfreundliches Verhalten an den Tag legt! Möchten Sie dieses moderne griechische Paradoxon kommentieren?
Rassias: Es ist nicht das einzige Paradoxon in diesem Land. Das «Hellenenchristentum» ist das erste Paradoxon aus einer endlosen Reihe von nicht nur paradoxen, sondern auch unübersehbarer ins Auge fallender Wahnwitze, wage ich zu behaupten. Wie ich bereits schon gesagt habe, ist der Totalitarismus, jede Form von Totalitarismus eine Schöpfung des Christentums, so wie die Polyarchie und die Demokratie Schöpfungen der verschiedenen Formen des europäischen Polytheismus sind, in erster Linie und überwiegend des griechischen Polytheismus. Die Polyarchie geht Hand in Hand mit der Vielgötterei, den «Paganismus», wie manche sie nennen, einher, was übrigens die Christen zu der Zeit, als sie sich durchgesetzt hatten, selber hinausposaunten. Die Demokratie war die «Staatsform des Teufels», «civitas diaboli». Eusebius von Caesarea sagt uns, dass es nur einen Gott im Himmel gibt und deshalb nur ein Herrscher auf Erden herrschen sollte. Infolgedessen blieb die Demokratie während all der Jahrhunderte christlicher Realität verschwunden und kehrte nur durch die Guillotinen zurück; darum hatten sich alle Totalitarismen und die Kirche fest aneinander geklammert.
Das Gleiche hat Mussolini getan, das Gleiche Franco, Hitler und ab einem gewissen Zeitpunkt auch Stalin. Doch weil einige Totalitarismen manche Symbole des besiegten und immer noch verfolgten «Paganismus» okkupierten, sind ihre gleichgläubigen Gegner dazu übergegangen, sie als… «Paganisten» auszugeben. Zwei Esel streiten sich sozusagen in einem fremden Stall. Aber wo soll das jemand zur Anklage bringen und Gehör finden? Wie viele wissen beispielsweise, dass die Nazis die Anführer der germanischen «Paganisten» in Konzentrationslagern inhaftierten? So nebenbei: am 08. Dezember werde ich in der philosophischen Einrichtung «Athenaeum Ekativolos» eigens zu diesem historischen Thema einen Vortrag halten. Na und! Das monotheistische Milieu wird weiterhin den für ihn profitablen Irrsinn auf Sendung bringen, dass die selbsternannten «positiven christlichen» Nazis angeblich… «Paganisten» waren. Im Übrigen wird auch im Fall der byzantinisch-orthodoxen «Goldenen Morgenröte» unbeirrt die gleiche Masche abgezogen, indem eine Reihe von Marktschreiern, die «Progressiven» und die «Supergriechen» des Systems darauf bestehen, sie als vermeintliche «Paganisten» zu verurteilen… Beiden angeblich verfeindeten Seiten, den «Schurken» und den angeblichen Anklägern der «Schurken» gelingt auf diese Weise die Kennzeichnung des «Paganismus», in diesem Fall der griechischen Religion, als ein noch größeres Übel als die ohnehin verhasste Ideologie der «Goldenen Morgenröte».
Mystery: Bezüglich der modernen organisierten Bewegung des Odinismus im Norden, gibt es da punktuelle ideologische Ähnlichkeiten oder eine Zusammenarbeit zwischen den hellenischen Polytheisten und dem «Asatru»?
Rassias: Bereits seit der Gründung des Weltkongresses ethnischer Religionen (WCER, jetzt Europäischer Kongress ethnischer Religionen, ECER) im Jahre 1998 in Vilnius (Litauen), arbeitet die hellenische ethnische Religion durch ihren offiziellen Träger, d.h. den Obersten Rat der ethnischen Hellenen, offen mit den offiziellen Trägerschaften der Religion «Asatru» zusammen, obwohl der informelle Kontakt zwischen uns schon Jahre davor aufgenommen wurde, zu Beginn der 1980er Jahre. Das Bemerkenswerte an den Trägerschaften der Religion «Asatru», die sich am Kongress ethnischer Religionen beteiligen, ist, dass sie alle eine besondere Sensibilität darauf verwenden, dass jede Art der Imitation ihrer Religon durch falsche Personen oder unaufrichtige Organisationen, die in Wirklichkeit zum Neonazismus bzw. zur sogenannten «Ariosophie» gehören, verhindert wird. Ja, viele Mitglieder eines dieser Träger des «Asatru», ganz konkret der «Germanischen Glaubens-Gemeinschaft» (GGG), die zu Beginn des letzten Jahrhunderts gegründet wurde, im Jahr 1916, wurden sogar ins Gefängnis oder in die Konzentrationslager der Nazis gesteckt.
Mystery: Wie denken Sie wird die Zukunft der polytheistischen Bewegungen aussehen? Nur um es zu erwähnen: letzten Sommer feierte der polytheistische Verband Asatruarfelagid in Island (der vom Staat rechtlich anerkannt wird) sein 40jähriges Bestehen. Wie bewerten Sie den heutigen Stand der Dinge in unsrem Land und was denken Sie, wie es weiter gehen wird?
Rassias: Asatru genießt in Island, Dänemark und Norwegen, wie auch die Romuva in Litauen, den Status einer rechtlich anerkannten Religion, aber in den meisten europäischen Ländern bleiben den polytheistischen Religionen die politischen Rechte verwehrt, da ihnen von den christlich regierten Staaten das elementare Recht auf kollektive Religiosität oder der Status einer religiösen Körperschaft des öffentlichen Rechts, und nicht bloß der einer «wohltätigen» oder «No-Profit-Organisation», vorenthalten wird. In den orthodoxen Ländern ist es am schlechtesten um die rechtliche Situation bestellt, so auch in den Staaten des ehemaligen «Ostblocks», aber auch in unserem Land, das, obwohl es sich selbst «Griechenland» nennt, die Existenz der griechischen Religion nicht zur Kenntnis nimmt. Besser gesagt, es sieht nicht einmal ein Anerkennungsverfahren von Religionen in seinen Gesetzen vor, was verrückt und absurd ist. Abgesehen von den drei «byzantinischen» Religionen, d.h. der Orthodoxie, dem «türkischen» Islam und dem Judentum, erkennt der «griechische» Staat keine weitere Religion an, nicht einmal die autochthone, historisch präexistente und ethnische griechische Religion.
In Europa wird sich die Lage bedingt durch den wirtschaftlichen Druck vielleicht verbessern, der aller Wahrscheinlichkeit nach von Seiten der asiatischen Schwellenmächte wie China und Indien in den kommenden Jahren unweigerlich auf den Kontinent lasten wird. Dieser Druck wird unausweichlich das jüdisch-christliche Fundament in Mitleidenschaft ziehen und zum Knirschen bringen, welches sich jetzt mit «neuem Blut» aus dem Islam stärken will, unabhängig vom Märchen, das den unwissenden Massen runtergebetet wird, die drei Formen des Monotheismus seien angeblich verfeindete Einheiten. Mit Konfuzius und Shiva bereits hinter den Mauern, dürfte es den europäischen monotheistischen Theokraten zunehmends schwerer fallen, die von ihnen geknechteten Staaten dazu anzuhalten, die autochthonen, historisch präexistenten und ethnischen Religionen des Kontinents auf ewig im juristischen Nichts zu halten.
In unserem Land wie natürlich auch in den slawisch-orthodoxen Ländern, wo die politische Macht noch immer nicht säkularisiert worden ist, sind die ethnischen Religionen die letzten, die miterleben werden, wie die gegen sie gerichtete Tyrannei zurückweicht. Im Übrigen ist das sowohl für unser Land, wo Politiker direkt von «Geistlichen» gesteuert und das Volk, hauptsächlich die Frauen sich überall auf den Straßen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln bekreuzigen, wie auch für das Land Putins und Kyrills, wo mit der schauerlichen wie auch vagen Anklage der «Blasphemie» mehrjährige Gefängnisstrafen über zwanzigjährige Frauen verhängt werden, nicht gerade ermutigend. Doch ist keine Tyrannei für die Ewigkeit geschaffen. Es ist nur so, dass je dichter die Dunkelheit, desto mehr Licht vonnöten ist, um sie zu durchdringen.
Kurz zu Vlassis G. Rassias (geb. 1959): Vlassis G. Rassias ist Ökonom, Geschichtsschreiber, Künstler, Dichter, Übersetzer, Verleger und Autor von über zwanzig Büchern. Er hat sowohl Salustios’ Peri Theon kai Kosmou als auch Epiktets Enchiridion ins Neugriechische übertragen. Er ist Mitbegründer des Obersten Rates der ethnischen Hellenen (YSEE) und des Europäischen Kongresses ethnischer Religionen (ECER, früher WCER). In seiner Funktion als Sekretär des YSEE hat er bis heute mehr als hundert Vorträge in mehreren Ländern gehalten. Vlassis G. Rassias ist Stoiker.