Die Götter des Hauses
Der Hellenismos kennt viele Götter, Daimonen und Heroen. Manche davon werden in der einen oder andren Form vom ganzen Volk verehrt, andere nur in einer bestimmten Region. Die hellenischen Hausgötter sind Zeus (Herkeios, Ktesios, Patroos), Hestia, Hekate, Hermes (Agieys), Apollon (Agieys) und der agathos Daimon. Bei den Spartanern war der Kult der Dioskouroi ebenfalls in den Haus- und Familienkult eingebunden. Der Ahnenkult gehört auch zum Hauskult und bildet seinen «intimsten» Aspekt. Den Hausgöttern wird morgens und abends geopfert.
Die ersten Tage eines jeden Monats
Zu Beginn eines jeden Monats opfern die Hellenen den Göttern Apollon Noumenios, Artemis Noumenia, Zeus, Hermes, Hera, Hekate, dem agathos Daimon (heute eher dem daimon eautou) und den Ahnen. In den folgenden acht Tagen werden auch die Götter Aphrodite, Eros und andere mit Opfergaben geehrt. An manchen Tagen im Jahr wird der einen oder anderen Gottheit Wein, Milch, Weihrauch oder ähnliches dargeboten. Auch diese Tage sind immer die gleichen und im Kalender entsprechend vermerkt.
Feste und andere Riten
Jeden Monat stehen Feste zu Ehren bestimmter Götter, Heroen oder gefallener Krieger an, außerdem können auch rituelle Reinigungen oder Fruchtbarkeitsriten vorgenommen werden, die einen bestimmten Bedarf decken sollen. In der Not wendet sich der Hellene an die Gottheit seiner Wahl und bittet sie um ihre Hilfe, ohne dass dies durch einen Kalender geregelt wird. Die Entscheidung wird indes mit Blick auf die Herkunft, den Wohnort oder die Stammeszugehörigkeit des Einzelnen und mittels einer Recherche der Geschichte seiner Gemeinde, Stadt und Familie(Stadtarchiv, Bibliothek, Internet, Besuch antiker Stätten) konkretisiert.
Kalender damals, Kalender heute
In den alten Zeiten besaß jeder hellenische Staat seinen eigenen Kalender mit abweichenden Monatsnamen und anderen Festen, wobei die Unterschiede zwischen den Kalendern der verschiedenen Gemeinden des gleichen Stammes minimal waren. Der Attische Kalender der Ioner steht seit Plethon in einem panhellenischen Rang und dient auch denen als Grundlage, die dem lückenhaften einheimischen Kalender ihres Abstammungsortes folgen möchten. Denn tatsächlich ist es so, dass der Grieche durch die Geburt zu seinen Göttern kommt.
Der Grieche und seine Götter
Der Grieche wählt seine Götter nicht. Seine Götter sind die Götter seiner Polis, seiner Phratrie, seiner Familie. Daraus ergeben sich Unterschiede, wenn auch keine so großen wie in den alten Zeiten, als das hellenische Volk frei war. Dazu sind die überlieferten Kalender, Beschreibungen und Volksbeschlüsse schlicht und ergreifend zu lückenhaft. Ganz zu schweigen von den fehlenden Zeugnissen.
Neben den panhellenischen Festen und Heroen gibt es andere, die nur von den Einheimischen eines Ortes gepflegt und verehrt werden. Götter, die in einer Gegend im Zentrum des sakralen Geschehens stehen, wie beispielsweise Athena in Athen, erfahren in einer anderen Gegend vielleicht nur wenig Verehrung, und das auch nur an bestimmten Tagen im Jahr. Der Kult hängt sehr stark von der Herkunft und dem Wohnsitz des Hellenen ab. Dies gilt insbesondere für lokale Heroen oder Flussdaimonen. Das wird damit gemeint, wenn gesagt wird, dass der Hellenismos vom lokalen Moment beherrscht wird. Das ist nur natürlich und gilt für sehr viele ethnische Religionen.
Ein Hellene aus Drama, dessen Bewohner einst vom Weinbau lebten, wird zum Beispiel den Dionysos in die Reihen seiner Hausgötter aufnehmen, ihm vielleicht sogar einen Altar auf seinem Grundstück weihen, da besagter Gott in der Gegend besondere Verehrung erfuhr und dessen Kult mit der Erde Dramas verbunden ist. Ein anderer Hellene, der ursprünglich aus der Insel Kastellorizo stammt, aber in Athen lebt, wird dem Apollon Megisteos wohl weniger Aufmerksamkeit widmen, als dem Hephaistos, dessen Tempel in seinem Viertel liegt. Wieder ein anderer Hellene aus dem Dorf Mavromati bei Messini mag sich auf den Kult des Zeus Soter konzentrieren, eine Hellenin auf Ägina mag den Kult der Aphaia pflegen, vor allem wenn ihre Gebete um Nachkommenschaft beantwortet wurden, und eine Kultgemeinschaft in Argos wird sich höchstwahrscheinlich um den Kult der Göttin Hera organisieren. Bei dem einen oder anderen kann auch der panhellenische Charakter einer Gottheit oder ihres nahegelegenen Tempels ausschlaggebend für ihre zentrale Funktion im Kult sein.
Schlussbemerkung
Der Grieche kommt mit der Geburt auf die Welt und zu seinen Göttern. Das Neugeborene wird wenige Tage nach seiner Geburt um den Hausaltar getragen und den Göttern vorgestellt. Auf diese Weise wird es offiziell in das Haus seiner Eltern aufgenommen und in den Haushalt integriert. Die Götter seiner Familie sind auch seine. Jene, die nicht in eine hellenische Familie hineingeboren wurden, finden diesbezüglich in der Tradition Halt und orientieren sich entweder an den ursprünglichen Herkunftsort ihrer Familie oder ihrem aktuellen Wohnsitz. Ansonsten können sie über die Divination den entscheidenden Hinweis erhalten.
In einer sich ständig im Wandel begriffenen und gemäß wirtschaftlicher Interessen verändernden Welt, bietet der Ethnismus Halt, aber auch einen Anker für unseren Platz in der Welt. Denn allen Umwälzungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten zum Trotz, gibt es Dinge, die sich nicht verändern und von lebenslangem Bestand sind. Unser Leben und unsere Umwelt mag Veränderungen unterworfen sein, doch unsere Herkunft ist das nicht.